- Orest
- Orẹst,griechisch Orẹstes, griechischer Mythos: Sohn des Agamemnon und der Klytämnestra, Bruder der Elektra, Iphigenie und Chrysothemis. Nach Agamemnons Ermordung durch Ägisth, den Liebhaber der Klytämnestra, wuchs Orest bei König Strophios in Phokis auf, dessen Sohn Pylades sein treuer Freund wurde. Als Orest erwachsen war, kehrte er in seine Heimat zurück und vollzog auf Geheiß Apolls mithilfe Elektras die Blutrache an seiner Mutter und Ägisth. Nach dem von Aischylos geprägten Mythos trieben die Erinnyen Orest zum Wahnsinn und verfolgten ihn, bis er sich, vom Orakel in Delphi aufgefordert, nach Athen wandte und mit der Hilfe Athenes vor dem Areopag freigesprochen wurde. Nach Euripides zog Orest ins Land der Taurier mit dem Auftrag des Orakels, das dortige Artemisbild zu holen, und kam mit seiner Schwester Iphigenie glücklich heim. Später wurde er schuldhaft in die Ermordung des Neoptolemos verstrickt; er vermählte sich mit dessen Gemahlin Hermione, die ihm einst versprochen war, und lebte als König von Mykene oder Argos und Sparta.Im 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. zeigten die Künstler v. a. die Blutrache des Orest: Der jugendlich bartlos dargestellte Orest ermordet Ägisth, Klytämnestra flieht entsetzt (u. a. auf einem attischen Krater, 7. Jahrhundert v. Chr.; Berlin, Antikensammlung). Seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. wurde der Szene auch Elektra hinzugefügt. Kindheit, Wahnsinn und Entsühnung, Orest mit Elektra am Grab des Vaters wurden auf italischen Vasen, römischen Sarkophagen und Wandbildern dargestellt. Die Kunst der Neuzeit griff den Mythos um Orest nur selten auf (P. Lastman, J. H. W. Tischbein, F. von Stuck).Da das Christentum eine Rechtfertigung des Muttermordes ausschließt, wurde der Stoff von der abendländischen Literatur erst spät aufgenommen, dabei erscheint zunächst die Tötung Klytämnestras als unbeabsichtigt (P. J. Crébillon, »Électre«, 1709; Voltaire, »Oreste«, 1750, u. a.). Der willentliche Muttermord findet sich erstmals wieder bei J. J. Bodmer (»Elektra oder die bestrafte Übeltat«, 1760), dann z. B. auch bei A. Dumas fils (»L'Orestie«, 1856). Im 20. Jahrhundert fand unter dem Eindruck eines neuen Griechenbildes besonders Orests Schwester Elektra als die Antreiberin zum Mord das Interesse der Dichter (J.-P. Sartre, »Les mouches«, 1943; G. Hauptmann, »Elektra«, 1947).
Universal-Lexikon. 2012.